Maslow 2.0 – Was willst Du eigentlich?

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Frei seinFür eine bestimmte Erkenntnis habe ich sehr lange gebraucht.

Ich hatte vor zwanzig Jahren überhaupt noch keine Ahnung über das volle Ausmass und mein aktuelles Reaktionsprogramm darauf, wurde erst sehr spät in meinem Hirnstamm gespeichert.

Sie lautet:

Wir Menschen sind viel diverser als es von aussen aussieht

Was in Bodennähe der Maslowschen-Bedürfnispyramide noch so gut wie identisch ist, driftet, je weiter es an die Spitze geht, immer mehr auseinander.

Und nicht nur unsere Ziele sind verschieden. Nein, auch die Motivation und die Herangehensweise, um diese zu erreichen, weichen völlig von einander ab.

Ich könnte zum Beispiel für manche Mitbürger noch fünf Trilliarden weitere Beiträge zur finanziellen Unabhängigkeit schreiben. Sie würden an vielen einfach Abperlen oder sogar Abneigung hervorrufen.

 

Bei den Konsumjüngern dieser Welt kann ich die wahrscheinliche Reaktion noch relativ leicht nachvollziehen.

Eine Mögliche wäre:  „Wer ist schon so verrückt und spart zwanzig Jahre lang oder noch mehr einen grossen Teil seines Einkommens, anstatt sich all diese tollen Sachen zu kaufen. Was ist schon das dämliche Geld auf einem Investmentkonto im Vergleich zum Klang des neuen Sportwagens oder der Änderung des Paarungsverhaltens, die ich damit beim anderen Geschlecht auslöse? Geld kann man nicht essen! Also mach Dir eine schöne Zeit damit!“

Ich meine, abseits vom grossen Risiko, das diese Denkweise langfristig beinhaltet und dem Fakt, dadurch bis kurz vor Ende des Lebens ohne Ausweg zwangsweise arbeiten zu müssen, hat das Ganze auch etwas sympathisches, oder?  Für mich wäre es zum Beispiel lustig, mit einem solchen Mitmenschen ab und zu eine ordentliche Party zu feiern und mal für ein paar Stunden fünf gerade sein zu lassen.

Neben der reinen Konsumerkaste gibt es natürlich noch Weitere und bei einer davon wird es nun auch für mich selbst richtig interessant:

Die Identitäts-Assimilanten

Menschen aus dieser Ecke, arbeiten bis zum normalen Renteneintritt nicht für Ihren Konsum, sondern Sie tun es hauptsächlich, weil es den wichtigsten Teil Ihrer Identität ausmacht. Diese ist dabei sehr eng mit dem Beruf verbunden und danach kommt erst einmal eine ganze Zeit lang nichts.

„Hallo, Ich bin Horst und Manager bei XY“.

Manchmal ist es so extrem, dass der Beruf fast vor dem eigenen Namen genannt wird.

Wie gesagt, hatte ich von diesen Dingen sehr lange keine echte Ahnung und selbst in den letzten Jahren hat sich der Maschinist manchmal durch sein Defizit auf diesem Gebiet noch zu Dingen hinreissen lassen, die er sich heute definitiv verkneifen würde.

Er ist zum Beispiel allen Ernstes davon ausgegangen, dass manche seiner Arbeitskollegen auch an finanzieller Unabhängigkeit interessiert sein könnten, nur weil Sie ähnliche Stresslevel hatten, oder über fehlende Freizeit und der Sinnlosigkeit der Firmenstrategie klagten.

Der Maschinist dachte dann, dass ein diskreter Hinweis in die richtige Richtung für ein Nachdenken, einen Aha-Effekt, oder sogar für etwas Erleuchtung sorgen könnte, die dem ganzen täglichen Wahnsinn wieder einen Sinn gibt.

Ich dachte, es wäre wunderbar, jemand anderem eine neue Idee zu geben, die Ihm vielleicht später zu einem glücklicheren Leben verhilft. Doch nichts davon geschah. Im Gegenteil, hat sich mehr als nur einmal das Verhältnis zu einem Kollegen dadurch verschlechtert. Manchmal war es, als dachte der Arbeitskollege durch das Gespräch, ich würde Ihn persönlich in Frage stellen. Das war natürlich quatsch oder besser gesagt, mir wäre nie eingefallen, dass er dass aus dieser Perspektive hätte sehen können.

Wenn ich jetzt den, zugegebenermassen sehr langen, Spannungsbogen zurück zur Überschrift dieses Artikels ziehe, wird mir eines klar. 

Die Idee der finanziellen Unabhängigkeit ist für viele gar kein Ziel

Und das ist manchmal sogar besser so, weil sich dieses Lebensmodell für einen Teil der Bevölkerung bedrohlich und leer anfühlen würde. Was soll jemand tun, der vorher einen Grossteil seiner Identität durch das Angestelltendasein bezog und nun auf einmal den ganzen Tag frei hat?

Bevor Du Dich auf den Weg zu einem solchen Ziel machst, musst Du für Dich selbst also einige Dinge klären.

Wenn Du z.B. schon vorher Probleme hattest, Deine selbstbestimmte Lebenszeit sinnvoll zu nutzen, dann wird sich dieses Problem nicht entschärfen, wenn Du mehr davon hast.

Die Frage für Dich lautet:

Was will ich eigentlich?

Und wenn Dir dann nicht ohne jegliche Verzögerung mindestens eine zweistellige Zahl von Dingen einfällt, die Du unbedingt machen willst, wenn Du mehr selbstbestimmte Lebenszeit hast; ja, dann hast Du ein Problem.

Das Loch, in das Du nach dem Übergang fallen könntest, ist so tief und breit, dass es schon viele Menschen bei Ihrem regulären Renteneintritt verschluckt hat.

Ich habe selbst schon einen über 70-jährigen Ingenieur in seinem Keller an seinem alten Zeichenbrett still weinen sehen, nachdem das Unternehmen nun auch seinen Beratervertrag nach seinem zuvor ca. vierzig Jahren Berufsleben nicht noch einmal verlängern wollte.

Er wäre wahrscheinlich noch mit einem Beatmungsgerät ins Büro gekrochen, wenn man Ihn gelassen hätte.

Es gab sonst – fast nichts – für Ihn – als Lebensziel

 

Auch wenn sich das für mich persönlich sehr weit weg anhört.

Wenn Du in diese Richtung tendierst, musst Du sehr gut darüber nachdenken, ob dieser Weg der Richtige für Dich ist.

Wenn Dir an Konsum nicht viel liegt aber dafür an Deiner Unternehmenszugehörigkeit extrem viel, könnte es für Dich besser sein, nur den Geldteil zu erledigen aber die Pläne für einen Ausstieg aus dem Beruf erst einmal zu vertagen. Und das mindestens so lange, bis Dir klar geworden ist, was Du von Deinem Leben noch erwartest und ob das überhaupt ausserhalb des Angestelltendaseins stattfinden soll.

 

Es ist Dein Leben

Weder ich, noch sonst irgendwer kann Dir raten, was Du damit tun sollst.

Wenn es Dein Ziel ist, für ein Unternehmen bis zu Deinem regulären Renteneintritt produktiv zu sein und auch, Dich mit dieser Tätigkeit sehr stark zu identifizieren, dann sei es so.

Denk Beizeiten mal darüber nach, warum Du so handelst und ob Du nicht eventuell andere Ängste damit kompensieren willst. Aber wenn Du das ausgeschlossen hast, -Go ahead and have fun!-.

 

Den Spar- und Investitionsteil an der finanziellen Unabhängigkeit empfehle ich Dir sehr stark, trotzdem zu erledigen.
  • Du weisst erstens nie, wie sich Dein Traum-Unternehmen in den nächsten Dekaden entwickeln wird
  • Zweitens findest Du eventuell doch noch Gefallen an der Sache und dann hast Du alle Freiheiten
  • Und vielleicht am wichtigsten, wirst Du wahrscheinlich noch mehr Spass an Deiner Tätigkeit haben, wenn Du Sie nicht mehr wegen des Geldes machen musst

Alleine durch Dein verändertes Verhalten, wirst Du in der Wahrnehmung Deiner Vorgesetzten sicherer und gefestigter erscheinen. Und jeder Chef liebt einen Mitarbeiter, von dem er weiss, dass er die Tätigkeit nicht mehr wegen des Geldes macht aber trotzdem noch bei Ihm arbeitet.

Ich wäre als Vorgesetzter tief beeindruckt und dieser Mitarbeiter hätte mein vollstes Vertrauen.
Ein besseres Statement pro Eigenmotivation kann es kaum geben.

Wie immer Deine Entscheidung also auch ausfallen mag; befreie Dich möglichst schnell vom Zwang, Geld verdienen zu müssen.

Es wird Dich auf jeden Fall glücklicher machen. Egal ob Du danach am Strand sitzt oder weiterhin in Deinem Bürostuhl.

 

PS: Der Maschinist war und ist oft noch gerne angestellt, aber genauso oft hat er keine Lust mehr dazu und die Aussicht darauf, bald mehr Zeit mit seiner Frau und den Kindern verbringen zu können oder sich öfter mit seinen Freunden zu treffen, erscheint Ihm immer attraktiver.

Weitere „To-Do“ Dinge auf seiner Liste sind aktuell:

  • Endlich Surfen lernen
  • Morgens am Strand joggen
  • Wieder mehr E-Gitarre spielen
  • Eine neue Hobbyband gründen und damit vielleicht manchmal in Kneipen auftreten
  • Die Bestleistung im Kreuzheben um mindestens 10% zu steigern,
  • Ein altes Muscle-Car in der Garage restaurieren
  • Sich um den Börsenhandel kümmern
  • Die Freiheitsmaschine weiter aufbauen
  • Neue Freunde finden
  • Wieder mehr zu Reisen
  • Jeden Monat mindestens ein neues Buch zu lesen
  • Und noch einiges mehr.

PSS: Der Artikel sollte eigentlich die „Freiheit oder Langeweile“ Überschrift tragen, um Peter‘s Idee der Blogparade gerecht zu werden. Aber der Maschinist braucht halt immer eine Extrawurst. Das geht schon so, seit er Denken kann. Manche seiner Sekundarstufe-Lehrer hätten Ihn wahrscheinlich lieber erwürgt, als noch länger mit Ihm in einem Klassenzimmer sitzen zu müssen und nur das Deutsche Strafrecht verhinderte schlimmeres. Die Versetzung funktionierte im Endeffekt immer, aber manchmal nur, weil der Maschinist zielgerichtet in letzter Minute eine rettende Klassenarbeit ablieferte. Definitiv kein nachahmenswertes Verhalten für seinen jetzigen Nachwuchs.

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