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Neu ab 1.1.2023: Ehegattenvertretungsrecht in Gesundheitsfrage

Yakari
(@yakari)
Freiheitskämpfer Silber

Einige sind ja durchaus an Vorsorge-Themen interessiert:

Erfahrungsgemäß haben die Rechtsänderung wenig (Verheiratete) mitbekommen, dabei kann es eine wichtige Änderung der Geschäftsgrundlage sein.

Kurzer Überblick in der Broschüre des Bundesjustizministeriums, S. 16f.:

https://www.bmj.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Eherecht.pdf?__blob=publicationFile&v=22

Wer nicht möchte, dass der Ehepartner „die Maschine abstellt“ oder Pflegeheimverträge bei „blutiger Entlassung“ aus dem Krankenhaus abschließt, sollte Maßnahmen ergreifen.

Zitat
Themenstarter Veröffentlicht : 7. März 2023 14:44
Maschinist, Vroma, Vossi78 und 1 User mögen das
Schlagwörter für Thema
J.D.
 J.D.
(@j-d)
Freiheitskämpfer Silber

Ganz so einfach ist es doch nicht. Man muss z.B. im selben Haushalt leben, getrennt lebend aber noch verheiratet können keine Unterschriften leisten. Man muss das und noch weiteres dem Arzt auch per Unterschrift quittieren. Sprich es gibt ein Dokument, dass einen prinzipiell auch vor Gericht bringen kann, wenn etwas unsauber entschieden wurde. Häufiger ist ja eher der Fall, dass man nicht drüber gesprochen hat und dann keiner für den Arzt zur Verfügung steht. Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung sind natürlich trotzdem besser.

Die Maschinen stellt übrigens ein Arzt ab. Ich finde diese Formulierung enthält sehr viel, was ich sehr falsch finde. Die Angehörigen fühlen sich schuldig, weil sie glauben, dass sie entscheiden sollen und zögern deswegen das Unabweichliche häufig hinaus, was nur weiteres Leid bedeutet. Das stimmt so aber nicht. Der Arzt beurteilt ob noch eine Chance auf ein menschenwürdiges weiteres Leben besteht und fragt die Angehörigen, was der Patient unter menschenwürdig verstanden hat und entscheidet dann. Zumindest in einer perfekten Welt. Meistens hat er Angst vor einer Klage und wartet dann doch bis die Angehörigen verstanden haben, dass es kein Zurück mehr gibt. Unser Oberarzt hat immer gesagt, heutzutage dürfen Menschen nur noch auf Intensivstation sterben, damit wirklich alles menschenmögliche getan wurde. Dass die Intensivstation voll sind, ist kein Wunder. Viele Patienten gehören da eigentlich nicht hin.

Aber trotzdem super, dass du auf die Gesetzesänderung aufmerksam machst 👍 

AntwortZitat
Veröffentlicht : 7. März 2023 19:40
ziola, Maschinist, Fuso und 1 User mögen das
Yakari
(@yakari)
Freiheitskämpfer Silber

Ich hatte gehofft @J.D. dass du antwortest. Theorie und Praxis klaffen ja sowieso immer auseinander und gerade Ärzte und Juristen haben traditionell gerne verschiedene Sichtweisen.

Was ich so krass finde, ist ein Punkt, den du als Vereinfachung ansiehst: dass der eine Ehegatte dem Arzt unterschreibt, dass die Voraussetzungen für die Vertretung vorliegen. Lasst ihr euch die Personaldokumente und die Eheurkunde zeigen?

Der zweite Punkt der Gesetzesänderung, den ich ebenfalls krass finde, ist, dass Ärzte zwar berechtigt sind nachzusehen, ob ein Widerspruch gegen das EHegattenvertretungsrecht im Zentralen Vorsorgeregister hinterlegt sind, aber nicht verpflichtet. Ich frage mich, ob im Krankenhausalltag Zeit dafür da ist, im ZVR zu recherchieren? Vielleicht magst du dazu ja mal was schreiben.

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Themenstarter Veröffentlicht : 7. März 2023 21:41
J.D. mag das
J.D.
 J.D.
(@j-d)
Freiheitskämpfer Silber

Das Gesetz ist ja noch nicht besonders alt und ich persönlich hatte bisher nur einmal damit zu tun im Rahmen einer Dialyseeinleitung eines Patienten, der noch durchaus in der Lage war seine Ehefrau zu erkennen, aber nicht mehr überblicken konnte, was die Anlage eines Dialysezugangs (Shaldon-Katheter) und eine Dialysebehandlung für Risiken haben kann.

Stichwort Urämische Enzephalopathie: "Meist reversi­ble Hirn­schädi­gung bei ei­ner dekompensier­ten Nieren­insuffizienz. Harn­pflichtige neurotoxische Substan­zen ak­kumulie­ren im Blut und führen zu neurologischen Symptomen wie Un­ruhe, Schlafstörun­gen, Affekt­labilität und im Spät­stadium Somno­lenz und urä­mi­schem Koma."

Für solche Sachen ist das eine deutliche Erleichterung. Man könnte das ganze wahrscheinlich auch so drehen, dass eine Notfallindikation draus wird, aber diese Regel ist definitiv besser. Alternativ verzögert sich die Behandlung halt auch mal 2-3 Tage bis man Rückmeldung vom Gericht hat. Ich hatte auch schon Probleme Patienten in ein Pflegeheim zu verlegen, weil die Patienten nicht mehr in der Lage waren, die für das Pflegeheim notwendigen Unterlagen zu unterschreiben und dann erst eine gesetzliche Betreuung gebraucht wird.

In der Regel bekommt man als Arzt schon mit, wenn zwischen Ehepartnern, Geschwistern, Kindern Uneinigkeit herrscht. Prinzipiell kann man ja trotzdem eine gerichtliche Betreuung einleiten, wenn einem irgendetwas Spanisch vorkommt. Häufig geben ältere Ehepartner solche Dinge auch gerne an die 30-50-jährigen Kinder ab: "Die verstehen mehr davon". Man fragt ja außerdem auch nach der bisherigen häuslichen Versorgungssituation. Als Arzt kann man anhand des Patienten dann i.d.R. schon einschätzen, ob einem da totaler Quatsch erzählt wird, weil die Person den Patienten schon monatelang nicht gesehen hat. Wenn einem Angehörige erzählen wollen, der Patient sei täglich einen Marathon gelaufen (überspitzt formuliert), obwohl sich hinten am Steiß schon ein riesiges Loch eingefressen hat durch ständiges Liegen auf der harten Matraze, sollten man sich gedanklich zumindest mal ein Fragezeichen notieren.

Wie die Gesetzesänderung aktuell auf Intensiv umgesetzt wird, wo solche Situationen ja fast täglich vorkommen, kann ich leider nicht sagen, da ich ja inzwischen fast ein Jahr nicht mehr dort bin (mit einmonatiger Ausnahme). Prinzipiell gilt natürlich trotzdem, umso weitreichender die Entscheidung, desto eher muss man sich bzgl. der genannten Dinge rückversichern.

Grundsätzlich kann ich nur jeden ermutigen, sich so früh wie möglich (solange man noch diese Freiheit(!) hat) mit seinen Angehörigen zu besprechen, welche Art der Beeinträchtigung man noch erträglich findet und ab welchem Grad der Behinderung man eine Grenze zieht.

Z.B. im Rollstuhl sitzen, sprechen, lesen, selbstständig essen können, aber Hilfe bei Körperpflege benötigen, künstlicher Darmausgang, künstliche Ernährung über eine Sonde im Magen (PEG), Beatmung über einen Luftröhrenschnitt, 24h am Tag Bettlägerigkeit um nur ein paar Dinge zu nennen.

Dabei ist drüber reden meiner Meinung nach wichtiger als diese Vordrucke für Vollmachten oder Patientenverfügung auszufüllen, damit die Angehörigen ein Gefühl dafür bekommen, welche Vorstellungen der Patient hat. Nur dann ist eine Vollmacht in meinen Augen auch sinnvoll. Ansonsten dürfen die Angehörigen zwar entscheiden, aber wissen eigentlich gar nicht was. Das ist meiner Erfahrung nach dann eher eine Last als Hilfe für die Angehörigen. Das fällt dann aber erst auf, wenn es zu spät ist. Ist in der Geldanlage ja prinzipiell auch nicht anders. Hinterlässt man den Angehörigen einen riesigen Haufen Einzelaktien und die haben gar keine Ahnung davon, ist's auch blöd. Besser mal drüber geredet.

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Veröffentlicht : 8. März 2023 00:16
Garagengold, ziola, Maschinist und 3 User mögen das
Yakari
(@yakari)
Freiheitskämpfer Silber
Veröffentlicht von: @j-d

Besser mal drüber geredet.

Das ist ohnehin empfehlenswert, und dieser Check sollte auch immer wieder erneuert werden.

Manche Leute sehen sich auch nicht in der Lage (nicht wertend gemeint!), als Bevollmächtigter zu agieren, egal ob es um Finanzen oder Gesundheit geht. Man hat mit einer Vollmacht ja nur das Recht, nicht die Pflicht, für den Vollmachtgeber zu handeln. Also sollte der Vollmachtgeber abfragen, ob der Angehörige oder wer auch immer überhaupt bevollmächtigt werden möchte, sonst steht er u. U. genauso da, wie wenn es keine Vollmacht gäbe.

AntwortZitat
Themenstarter Veröffentlicht : 8. März 2023 12:09
Der Autodidakt und Natman mögen das
J.D.
 J.D.
(@j-d)
Freiheitskämpfer Silber

@yakari

Wir hatten auf Intensiv einmal einen Nachbarn eines Patienten ohne Familie (und deswegen wohl auf Bitten des Patienten übernommen hat), der letztendlich sehr unglücklich darüber war und das wieder abgegeben hat, weil es sich nicht in der Lage sah. Man sollte sich schon vorher Gedanken machen, was das Ganze letztendlich bedeuten kann. Man ist primärer Ansprechpartner der Ärzte und wird in alle Entscheidungen mit einbezogen.

Ohne Wissen des Anderen ein Vollmacht ausstellen, halte ich für absolut kontraproduktiv. Das neue Gesetz sieht aber auch vor, dass die Ehepartner natürlich ablehnen können.

AntwortZitat
Veröffentlicht : 9. März 2023 21:57